Stückig oder gewolft?

Die Frage der richtigen Konsistenz der Hundenahrung verwirrt Barf-Einsteiger und auch manch "alter Hase" kennt die jeweiligen Vor- und Nachteile nur zum Teil.

Die Physiologie

Befassen wir uns also zunächst einmal mit der Physiologie des Hundes.

Das Gebiss eines Hundes ist darauf ausgelegt, Beute zu ergreifen und festzuhalten (Fangzähne) und dann größere Stücke daraus heraus zu beißen (Scherengebiss). Der Hund besitzt weder die Zähne (Mahlzähne) noch eine entsprechend flexible Aufhängung des Unterkiefers um durch mahlende Bewegungen eine Zerkleinerung der abgebissenen Stücke zu bewerkstelligen. Bestenfalls kann er Stücke noch etwas "in Form" beißen um sie leichter schlucken zu können.

Entsprechend sind auch die nachfolgenden Organe diesen Gegebenheiten angepasst. Der Speichel dient vorrangig dem Transport und enthält schleimbildende Stoffe. Interessanterweise gibt es einen merklichen Unterschied zwischen Hunden die roh ernährt werden und Hunden, die Fertigfutter bekommen. Der Speichel von letzteren ist sehr viel wässriger und weniger schleimig. Die Speiseröhre ist sehr dehnfähig und enthält ebenfalls Drüsen, deren schleimiges Sekret die Gleitfähigkeit der Nahrung verbessern.

Die Verdauung im Magen

Im Magen beginnt dann die Verdauung. Hier werden die Nahrungsstücke mit der Magensäure vermengt. Der pH-Wert fällt stark ab, dies sorgt dafür, dass Keime und Parasiten zum Großteil unschädlich gemacht werden. Außerdem sind die von der Bauchspeicheldrüse ausgeschiedenen Enzyme auf einen niedrigen pH-Wert optimiert. Hier ist vor allem Pepsin zu nennen, das den ersten und wichtigsten Schritt der Proteinverdauung einleitet: die langkettigen Proteine an bestimmten Stellen in kürzere Peptide zu zerlegen.

Und hier treffen wir auch auf den wesentlichen Unterschied in der Verdauung von stückigem Futter im Vergleich zu gewolftem oder gar püriertem. Die Menge der gebildeten Magensäure wird in erster Linie von dem Füllungszustand des Magens - also Menge und Dauer - gesteuert. Ob die Nahrung dabei stückig oder püriert ist, kann der Magen nicht unterscheiden. Jedoch verteilt sich die gebildete Menge Magensäure bei gewolftem oder gar püriertem Fleisch über eine viel größere Fläche.

Stückiges Fleisch wird quasi schichtweise verdaut: zuerst greift die Magensäure die äußerste Schicht an, die inneren Bereiche eines Brockens kommen noch gar nicht in Kontakt mit der Magensäure. Erst wenn die äußere Schicht soweit verdaut ist, dass sie durch die Bewegungen des Magens von dem Brocken "abgerubbelt" wird, gelangt die Magensäure in die weiter innen liegenden Bereiche - und so weiter, bis der Brocken weg ist.

Grobe, etwa gulaschgroße Brocken Fleisch. Überwiegend sind die Brocken gut mit Fett durchzogen, manche haben auch noch richtige Fettadern oder einen aufliegenden Deckel aus Bindegewebe

Bei gewolftem Futter kann die Magensäure sofort auf die komplette Menge angreifen. Was sich erst einmal gut anhört, hat leider einen entscheidenden Nachteil: die gleiche Menge Enzym muss mit einer viel größeren Menge Fleisch zurecht kommen.

Grob gewolftes Fleisch in einer Edelstahlschale. Man sieht noch gut die Struktur des Fleisches, also nicht wie bei feinem Hack, sondern gröber. Außerdem sind deutliche Fettbrocken zu erkennen. Die einzelnen Stücke sind ungefähr so groß wie ein Daumennagel.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Weitertransport in den Darm nach der Stückgröße entschieden wird. Was klein genug ist, darf weiter. Beim stückigen Fleisch sind das jeweils die abgerubbelten äußeren Schichten. Diese hatten die volle Menge Enzym zur Verfügung, sind gut vorverdaut und gelangen dann als kleine Stücke weiter in den Darm. Der große Rest bleibt weiterhin im Magen, regt dort die Nachproduktion von Magensäure an und wird Schicht für Schicht weiter verdaut.

Bei gewolftem Fleisch erreicht fast der gesamte Mageninhalt gleichzeitig die gleiche kleine Stückgröße damit es in den Darm weiter geht. Entsprechend bleibt die Nahrung weniger lang im Magen, weniger Magensäure wird nachproduziert und der Nahrungsbrei hatte Kontakt mit weniger konzentrierter Magensäure (da sie sich ja auf die gesamte Menge auf einmal verteilt hat).

Die Verdauung im Darm

Im ersten Abschnitt des Dünndarms wird dann die sehr stark saure Magensäure neutralisiert, so dass ein pH von ca. 6-6,5 erreicht wird. Dadurch wird Trypsin, ein weiteres Eiweißspaltendes Enzym, und weitere Enzyme aktiviert. Das Bakterienmilieu im Darm (die Darmflora) ist an diese Bedingungen angepasst. In einem gesunden Hund besteht ein gutes Gleichgewicht zwischen Symbionten, die bei der weiteren Verdauung helfen, und Pathobionten oder Pathogenen, die sich nachteilig auf den Hund auswirken. Diese optimale Darmflora ist sowohl an die pH-Bedingungen als auch an die optimale Nahrung angepasst. Der fast neutrale pH-Wert hat zur Folge, dass das Pepsin aus dem Magen fast komplett inaktiviert wird. Die Verdauung langkettiger Proteine in kürzere Peptide stoppt hier also vollständig. Wenn nun nicht ausreichend vorverdaute Proteine in den Darm gelangen, gibt es auch hier Bakterien, die diese gerne zur Ernährung nutzen. Nur leider sind das überwiegend Bakterien, die die Darmflora ins Ungleichgewicht bringen. Entweder sind sie selbst pathogen - rufen also Entzündungsreaktionen oder andere Symptome hervor. Oder sie stören die Ansiedlung der positiven Bakterien, so dass sich andere Pathogene, Pilze oder Parasiten ansiedeln können.

Das ist die Theorie Natürlich gibt es Hunde, die wunderbar ein Leben lang mit gewolftem Futter zurecht kommen! Aber wenn der Hund Probleme im Verdauungsbereich hat oder evtl. eine Dysbiose (eine ungünstige Zusammensetzung der Darmflora) festgestellt wurde, dann macht es durchaus Sinn, einmal zu versuchen ob eine stückige Fütterung diesem Hund nicht besser bekommt.